Nachdem es viele Jahre lang mein Wunsch war, erfüllte ich mir tatsächlich den Traum vom Himalaya. Ein wenig Trekking-Erfahrung konnte ich bereits in der Vergangenheit sammeln. Wenn ich Österreich außen vorlasse, bezwang ich bereits den Inka Trail, nahm an einem Trek durch einige Bergdörfer in Thailand teil und war in den kanadischen Rockies unterwegs. Zwei Monate bevor ich im Himalaya wanderte, erklomm ich erfolgreich den Kilimanjaro in Tansania – meine bisher größte Herausforderung. Ihr seht somit, dass ich nicht gerade allzu viel Trekking-Erfahrung vorweisen kann. Bisher war alles machbar, auch wenn ich so manches Mal an meine körperlichen Grenzen geriet, speziell am Kilimanjaro.
Nepal ist für seine Berge und seine Trekkingrouten bekannt. Lange überlegte ich zwischen dem Annapurna Circuit, dem Annapurna Base Camp Trek und dem Everest Base Camp Trek. Letztendlich entschied ich mich für den Letztgenannten. Wer träumt nicht davon, das Dach der Welt zu sehen? Von der Höhenlage war es weniger schwierig, verglichen mit dem Kilimanjaro, allerdings dauerte der Trek doppelt so lange, was wiederum sehr anstrengend für die Psyche war. Ich versuchte nicht viel nachzudenken, sondern einfach Schritt für Schritt zu gehen.
Bevor wir nach Lukla reisten, standen wir vor einer kleinen Herausforderung in unserem Hotel in Kathmandu. Unser Gepäck durfte 15 Kilogramm nicht überschreiten und das inklusive Handgepäck. Mit dem Handgepäck meine ich unseren Tagesrucksack, welcher ständig bei uns war und den wir selbst trugen. Ansonsten habt ihr natürlich viel mehr Gepäck zu tragen – alles was ihr für den knapp zweiwöchigen Trek eben braucht, solltet ihr keine Sherpas zur Hilfe haben. Lukla befand sich bereits auf einer Höhe von 2800 Metern. Da die Fahrt von Kathmandu einige Tage dauern würde, benutzt fast ausnahmslos jeder Tourist ein Flugzeug um Zeit zu sparen. Allerdings hängt in Lukla´s Flughafen alles vom Wetter ab und es kam in der Vergangenheit schon vor, dass tagelang kein Flugzeug landen oder starten konnte – soviel zur schnelleren Variante. Der 35-minütige Flug war definitiv ein Highlight auf meiner ganzen Reise durch Nepal. Vielleicht habt ihr den Namen Lukla bereits in der Vergangenheit schon mal gehört – es soll einer der gefährlichsten Flughäfen der Welt sein. Warum? Die Landebahn weist eine Neigung von zwölf Prozent auf, sprich das eine Ende der Landebahn ist um 60 Meter niedriger als das andere Ende. Diese kann auch nur von einer Seite angeflogen werden. Während des Flugs gab es einige Turbulenzen, beim Start und bei der Landung gab es allerdings keine Probleme.
Zunächst stand noch eine kleine Stärkung an, bevor wir losmarschierten. Solltet ihr vergessen haben etwas zu besorgen, bekommt ihr in Lukla über Jacken, Socken, … Klopapier, Taschentücher einfach alles. Unsere Unterkünfte fielen auf der gesamten Trekking-Route sehr minimalistisch aus – viel Auswahl gab es ohnehin nicht. Fast ausnahmslos befanden sich in unseren Zimmern nur zwei Holzbetten. Es gab kein warmes Wasser und die Zimmer waren auch nicht beheizt, was zur Folge hatte, dass ich diesen Text meistens mit Handschuhen schrieb. Ohne meinen Schlafsack wäre ich wahrscheinlich bereits nach der ersten Nacht krank gewesen, da Decken auch nur selten vorzufinden waren. Ein Polster gab es in jeder Unterkunft. Während der gesamten Wanderung sah ich bis zum Schluss kein einziges Auto, das heißt, dass alles per Hand oder per Hubschrauber hingebracht werden musste, was wiederum mit hohen Kosten verbunden war. Ein Cola oder dergleichen kostet im Gebirge genau so viel wie bei uns. Desto weiter man „hineinwanderte“, desto teurer wurde alles.
Ausgestiegen vom Flugzeug war sofort meine Jacke gefragt, da in Lukla doch andere Wetterbedingungen herrschten als in Katmandu. Mit so einer Kälte rechnete ich zu Beginn des Treks noch nicht. Es war ziemlich kühl und es wehte ein sehr rauer und unangenehmer Wind. Nachdem wir eben in Lukla ankamen und eine Kleinigkeit gegessen hatten, übergaben wir unsere Duffel-Bags den Sherpas. Die erste Etappe führte uns nach Phakding, wo wir übernachteten. Verglichen mit den anderen Tagen, war es der einfachste Tag zum Everest Base Camp. Phakding befand sich dann sogar etwas unter Lukla. Es war der perfekte Ort um sich etwas akklimatisieren zu können.
Wenn du etwas im Zeitstress bist, kannst du auch etwas weiter wandern. Es ist nicht zwingend erforderlich in Phakding bereits zu übernachten. Ich muss aber sagen, dass alles vom Flug abhängt, sprich wann man in Lukla spät ankommt, wird die erste Etappe nicht weit führen – alles steht oder fällt mit dem Flug. Es ist nicht einfach den ersten Tag zu planen – lieber etwas gemächlicher beginnen, denn die nächsten Tage werden sehr herausfordernd sein.
Unser zweiter Wandertag führte uns nach Namche Bazaar – vielleicht der schönste und spektakulärste Ort auf unserer Wanderung im Himalaya. Nachdem wir unser erstes Teehaus verließen, ging es zunächst weiter wie am Vortag, recht gemütlich, was sich nach dem Mittagessen schlagartig änderte. Nach der Hillary Brücke, für welche der Everest Base Camp Trek bekannt ist, ging es 700 Höhenmeter hinauf. Dafür benötigten wir knappe drei Stunden. Bei der Halbzeit ca. konnten wir den ersten Blick auf den Everest werfen, welcher schon noch sehr weit entfernt war. Großes Glück war dazu notwendig, denn das Zeitfenster war äußerst gering. Keine fünf Minuten später war der Gipfel wieder von vielen Wolken umgeben. Die Motivation stieg bei jedem von uns und die Vorfreude auf die kommenden Tage wurde größer und größer. Es wurde realer, in welcher Umgebung wir in den nächsten Tagen wandern werden – ein großartiges Gefühl.
Am späten Nachmittag kamen wir in Namche Bazaar an. Es war einer der wenigen Ort am gesamten Trek, an dem man an Bargeld kam – nur als Tipp für euch, solltet ihr zu wenig Cash dabeihaben. Ich verbinde diesen Ort nach wie vor mit sehr positiven Gedanken, wobei ich das erste Abendessen so gar nicht vertrug. Ich bestellte mir an diesem Abend frittierte Momos mit einer Kartoffelfüllung. Vielleicht wurde ein altes Fett verwendet, ich weiß es nicht. Wichtig war es, dass es mir am Tag darauf wieder recht gut ging. In Namche Bazaar verbrachten wir zwei Nächte um uns zu akklimatisieren und auf die nächsten Tage körperlich vorbereiten zu können. Diesen Ruhetag verbrachten wir aber nicht komplett in der Unterkunft, denn das wäre schlecht gewesen, wenn man gar nichts tut. Wir wanderten am Vormittag zu einem nahe gelegenen Teehaus 400 Meter in die Höhe, denn unsere nächste Unterkunft befand sich exakt auf derselben Höhenlage. Zu Mittag waren wir dann auch schon wieder zurück und regenerierten uns am Nachmittag. Wenn du die Möglichkeit hast, wandere immer etwas weiter hinauf und kehre nach einem Stück wieder um, zurück zu deiner tiefergelegenen Unterkunft. Dein Körper wird es dir danken! Und meistens wirst du auch mit einer spektakulären Aussicht belohnt!
Nach zwei Nächte in Namche Bazaar ging es weiter nach Thyāngboche. Allzu viel passiert dort nicht. Die Hauptattraktion war dort ein Kloster von tibetanischen Mönchen, welches man kostenlos besichtigen durfte. Allerdings durfte man keine Fotos von innen machen. Ein kurzer Besuch lohnte sich meiner Meinung aber auf alle Fälle. Zur späteren Stunde wurde es bewölkter und bewölkter. Aufgrund der niedrigen Temperaturen regnete es nicht, sondern es schneite und das die ganze Nacht. Jeder von unserer Gruppe hatte ein mulmiges Gefühl, ob es am nächsten Tag weiter gehen würde. Rund 25 Zentimeter schneite es, also es war dann zum Glück nicht ganz so schlimm.
Der Tag nach dem Schneesturm führte uns nach Dingboche – neben Namche Bazaar der schönste Ort auf dem Weg zum Everest Base Camp. Am Weg nach Dingboche passierten wir die Baumgrenze, welche in Nepal bei 4000 Meter liegt. Das erste Mal merkte ich, dass die Luft nun wirklich dünner wurde. Durch den ganzen Schnee verwandelte sich die Landschaft in ein „Winterwonderland“ – einzigartig. Ich bin mir sicher, dass ich während dieser Tage mit Abstand die meisten Fotos schoss. Von diesem Zeitpunkt an, beschäftigte uns nicht nur der Trek. Da in allen Unterkünften Wifi etwas kostete und einige Male gar nicht funktionierte, bekamen wir von der Corona-Krise nur sporadisch etwas mit. Außerdem waren diese Infos zu dieser Zeit noch lange nicht so besorgniserregend, wie es später wurde. Als wir in Dingboche ankamen, hatte unser Guide nicht die besten Infos für uns. In Nepal begann alles mit den Everest-Expeditionen. Diese wurden zuerst gecancelt. Aufgrund dessen kamen uns sehr viele Sherpas entgegen, welche sich auf den Rückweg vom Everest Base Camp machten. Da begannen wir alle das erste Mal nachzudenken, da wir sonst von der übrigen Welt nicht wirklich etwas mitbekamen. Ich habe mich mal nach dem Trek im Google informiert, was so eine Expedition auf den Everest kostet. Im Schnitt würde ich sagen, dass wir hier bei ca. 40.000 bis 60.000 Euro liegen – ihr könnt euch somit vorstellen um welche Beträge es hier geht.
In Dingboche hatte wir wie in Namche Bazaar zwei Nächte zur Akklimatisierung. Am „freien“ Tag hatte wir wieder dasselbe Programm. Wir unternahmen eine Wanderung zu einem Aussichtspunkt, welcher sich wiederum auf derselben Höhenlage befand, wie die Unterkunft am Tag darauf. Am Nachmittag ging es dann weiter mit schlechten Nachrichten. Ich buchte den Everest Base Camp Trek wieder über G Adventures. Dieser Reiseveranstalter sagte mit diesem Tag alle Trips ab und das weltweit für zunächst mal sechs Wochen. Dieser Zeitraum wurde später noch verlängert. Uns wurde es freigestellt – wir konnten den Trek fortführen, aber auch umkehren. Da wir nur mehr einen Tag vom Everest Base Camp entfernt waren, überlegte niemand umzukehren – im Nachhinein betrachtet, kann ich es gar nicht sagen, wie ich mich entschieden hätte, wahrscheinlich wäre ich umgekehrt, denn diesen Nervenkitzel brauche ich kein zweites Mal – mehr dazu etwas später.
Mit großem Bauchweh im Gepäck aufgrund dieser Situation ging es weiter nach Lobuche. Zunächst war der Weg nur durch leichte Anstiege gekennzeichnet. Erst nach der Kaffeepause stand der Thukla Pass am Programm. Aufgrund der Höhenlage war es einer der schwierigsten Abschnitte. Oben angekommen, überraschte uns eine Vielzahl von Steinmonumenten – eine Gedenkstätte für all diejenigen, die im Everest Gebiet ums Leben kamen. Der bekannteste ist wahrscheinlich Scott Fischer, der bei einer Tragödie am Everest im Jahre 1996 ums Leben kam. Diese wurde auch verfilmt – „Into thin air: Death on Everest“. Nach einem sehr langen Tag erreichten wir zur späten Stunde Lobuche, welches sich knapp unter 5000 Meter befand. Dort ging es mir zum zweiten Mal innerhalb von ein paar Tagen nicht gerade besonders. Während der Kaffeepause genehmigte ich mir auch eine Suppe. Da merkte ich schon, dass diese meinem Magen nicht ganz so gefiel. Ich hatte wirklich große Bedenken, ob ich am kommenden Tag weitermachen konnte, was dann aber möglich war.
Nächstes Ziel, bevor wir das Everest Base Camp erreichten, war Gorak Shep. Das Dorf selbst bestand nur aus ein paar Lodges und Teehäuser – nichts anderes war dort zu finden. Dort übernachteten wir nach der Rückkehr vom Base Camp. Es war nicht leicht aufgrund der äußeren Umstände, von denen wir kaum was wussten. Nichts desto trotz waren wir schon so knapp an unserem Traum dran und zogen die letzten Stunden dann auch durch. Nach einem späten Frühstück gingen wir kurz vor Mittag von Gorak Shep zum Everest Base Camp. Dafür brauchten wir ein bisschen mehr als zwei Stunden. Nach mehrmaligen auf und ab lief man über den Khumbu-Gletscher bis zum Ziel. Mehr als ein großer Stein war dann leider nicht zu finden. Aufgrund der Corona-Krise fanden wir ein menschenleeres und zeltleeres Base Camp vor. Trotzdem war es ein tolles Gefühl sich dort zu bewegen. Vom Camp selbst konnte man den Everest allerdings nicht sehen, da die umliegenden Berge so riesig waren. Aber am Weg dorthin bot sich die eine oder die andere Möglichkeit den höchsten Berg der Welt abzulichten. Wie bereits am Kilimanjaro hatten wir auch beim Everest Base Camp ziemliches Glück, da kaum ein Lüftchen wehte. Daher verbrachten wir fast zwei Stunden im Camp. Manche Wanderer schossen Fotos mit Flip Flops, Hawaii-Hemd und Badehose. Am frühen Nachmittag gingen wir wieder retour nach Gorak Shep. Und nach einer kurzen Pause starteten wir in Richtung Kala Pattar. Da wurden wir leider nicht vom Glück verfolgt. Wir verzichteten bis zum Gipfel zu gehen, da alles in Wolken eingehüllt war. Am kommenden Morgen fanden wir das identische Wetter vor. Ich schaute mir vor der Reise bereits einige Fotos von der Spitze an. Dieses Bergpanorama blieb uns leider verwehrt.
Das war mein bzw. unser Weg zum Everest Base Camp. Das Zurückgehen blieb uns nicht erspart. Mit kleinen Ausnahmen führte der Weg über dieselben Dörfer wie der Weg zum Base Camp. Aufgrund der weltweit angespannten Lage übersprangen wir eine Unterkunft vor Lukla, da wir den Flug problemlos umbuchen konnten, sprich um einen Tag vorverlegen konnten. Das ermöglichte uns mehr Zeit in Kathmandu zu haben, damit wir alle weiteren Schritte planen konnten. Somit verließ ich diese Gegend mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Ich bin mir sicher, dass ich dort hin eines Tages zurückkehren werde. Der Trek selbst gefiel mir richtig gut und ich versuchte jede Sekunde zu genießen, trotz der Umstände.
Fazit: Die Landschaft selbst war atemberaubend. Den Weg kann man auch mit niedrigen Trekkingschuhen gut meistern, auch wenn ich ein Fan von hohen Trekkingschuhen bin. Es gibt mir persönlich mehr Sicherheit und einen besseren Halt beim Wandern. Befolgt man die Regeln einer Akklimatisation, muss man sich auch hier weniger Gedanken machen.
Das „Dach der Welt“ wird mir mit Sicherheit ewig in Erinnerung bleiben. Auch die Erfahrung einer längeren Trekking-Tour wird mir hoffentlich nicht mehr abhanden kommen. Wenn du mich fragen würdest, ob ich es erneut machen würde – diese Frage kann ich mit einem klaren JA beantworten.
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